Anschauliche Geschichte im Dokumentationszentrum Prora

Er ist riesig. Er ist grau. Er ist nicht schön anzusehen. Manche sagen gar, er verunstalte einen ganzen Küstenabschnitt zwischen Sassnitz und Binz. Der „Koloss von Rügen“. Was wie nach einem Ungeheuer aus der griechischen Mythologie klingt, ist das alte KdF-Seebad in Prora. Aus der Luft sieht es fast ein bisschen wie eine Schlange aneinander gereihter Domino-Steine aus.  Erbaut in den 30er Jahren von der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“, liegt der 4,5km lange Gebäudekomplex am Strand von Prora und sollte bis zu 20.000 Urlaubern als Unterkunft dienen. Allerdings konnte das Bauvorhaben nicht bis zum Ende umgesetzt werden – der 2. Weltkrieg begann. Arbeiter sowie Material und Gerätschaften wurden an anderen Stellen benötigt. Die Gebäude, die noch fertig gestellt werden konnten, wurden nach dem Krieg von der Roten Armee und der Nationalen Volksarmee genutzt, die restlichen Teile der Anlage blieben weiterhin leer. Wind und Wetter taten ihr Übriges und ließen die Ruinen weiter verfallen. Was jedoch liegt näher, als an solch einem historischen Ort eine Einrichtung zu schaffen, in der aktuelle Ausstellungen Rugianer und Urlauber über vergangene Zeiten informiert und diesen Platz zu einer ganz besonderen Art von Museum werden lässt. Im Dokumentationszentrum Prora kann man sich zur Geschichte des ehemaligen KdF-Seebades und dessen Rolle in der NS-Zeit oder und der zunehmende Bäderantisemitismus sowie die Arisierung des Kurhauses Binz,  informieren.

„Die Idee dieses Seebades ist vom Führer selbst. Er sagte mir eines Tages, dass man nach seiner Meinung ein Riesenseebad bauen müsse, das Gewaltigste und Größte von allem bisher Dagewesenem.“ Dr. Robert Ley, Führer der Deutschen Arbeitsfront und des NS-Volksunterhalters „Kraft durch Freude“ (KdF).                                              (spiegelonline)

Filme, Fotos und Berichte lassen den Besucher in der Dauerausstellung „MACHTurlaub“ tief in die damalige Zeit, mit ihrer Ideologie und Lebenswelt, eintauchen.
Weiterhin stehen ihnen die Filme „Urlaubsmaschine Prora“ und „Schwerter zu Spaten – Die Bausoldaten in der DDR“ zur Verfügung. Im Lesecafé können sie sich bei Gebäck und Tee weiter in den dort ausgestellten Büchern belesen. Durch Forschungen des Dokumentationszentrum war es möglich, eine weitere Ausstellung anzubieten: „Opposition und Widerstand – Bausoldaten in Prora 1964-1989/90“. Waffendienstverweigerer wurden hier stationiert und machten Prora ab 1982 zum größten Standort für Bausoldaten in der DDR.
Im NVA-Museum in der KulturKunststatt werden auf 1500m² die militärische Nutzung von 1942 bis 1992 gezeigt: „16. Kompanie“, Standortdokumentation 1952-1992, Dokumentarfilme, Fallschirmjäger der NVA in Prora, Offiziershochschule (OHS) „Otto Winzer“. Und sie können sich NVA-Urlauberzimmer im Erholungsheim „Walter Ulbricht“ mit 40 original rekonstruierten Räumen ansehen.
Weitere Sonderausstellungen können sie bis März bzw.April 2017 besuchen, u.a „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ und „Das unbekannte Vernichtungslager Kulmhof am Ner – Geschichte und Erinnerung
Eine Ausstellung der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas“.
Interessant ist natürlich nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart und die Zukunft. In einem halbstündigen Vortrag mit einer kurzen Dia-Show erfährt man etwas über die derzeitige Situation der Anlage und die aktuellen Pläne für den „Koloss von Rügen“. Heute findet man die weltweit längste Jugendherberge in den geschichtsträchtigen Gebäuden. Ganz entgegen den Wünschen der einstigen Auftraggeber, treffen sich hier nun Menschen aus allen Teilen der Welt und genießen gemeinsam die Zeit am Meer. Weiterhin entstanden im letzten Jahr 120 Luxus-Ferienwohnungen, des Prora Solitäre Hotel, Rügens modernstem Ferienresort.
Täglich können sie das Dokumentationszentrum ab 10Uhr besuchen. Bitte beachten sie die sich je nach Saison ändernden Schließzeiten.

Noch eine Empfehlung zum Schluss: äußerst spannend sind die Führungen durch das riesige Areal, der größten geschlossenen architektonischen Hinterlassenschaft der nationalsozialistischen Zeit.  Man bekommt eine Vorstellung von den Ausmaßen der Anlage und fühlt sich einmal mehr mitten drin in einem Teil der Geschichte Rügens.
Auf der Webseite des Dokumentationszentrums Prora finden sie alle wichtigen Informationen zu Führungen, Ausstellungen und Öffnungszeiten.

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